Margrit Müller, Hundwil:

Mit Blick auf Traditionen stetig vorwärts gehen

 

 

 

Margrit Müller, geboren 1962, ist verheiratet und Mutter von zwei erwachsenen Söhnen. Noch während der Familienpause war die gelernte Chemielaborantin Mitglied der Hundwiler Schulkommission. 2005 wurde sie in den Gemeinderat, 2011 zur Gemeindepräsidentin von Hundwil gewählt. Seit 2011 ist sie zudem Kantonsrätin, 2020/21 war sie Kantonsratspräsidentin und somit höchste Ausserrhoderin. Seit 2021 ist die Fraktionspräsidentin der Parteiunabhängigen. Derzeit ist Margrit Müller ausserdem Vorsitzende der internationalen parlamentarischen Bodensee-Konferenz. Diese hat zum Ziel, die Anliegen der Bevölkerung der Bodenseeregion zu vertreten, die Standortattraktivität der Region zu erhöhen und die natürlichen Lebensgrundlagen nachhaltig zu sichern. 

Margrit Müller, welches ist Ihr Lebensmotto?

Überlegt vorwärtsschauen. 

 

Können Sie das genauer erläutern?

Ich bin jemand, der dem Alten nicht nachtrauert. Gewiss, ich erinnere mich gerne, aber ich strebe vorwärts – ohne Hast und ohne jeden Trend mitzumachen. Es ist wichtig, vorwärts zu gehen, aktuell zu sein – selbstverständlich immer mit dem nötigen Blick auf unsere Traditionen. 

 

Was gefällt Ihnen an Ausserrhoden – nebst den Traditionen?

Die Überschaubarkeit, die hügelige grüne Landschaft, der Blick auf die Berge und den Säntis.

 

Sie haben den Grossteil Ihres Lebens in Ausserrhoden verbracht. 

Ja. Ich bin in Hundwil aufgewachsen, lebte für kurze Zeit in Buchs SG und in Stein AR und nun wieder seit 1995 in Hundwil.

 

Haben Sie einen Lieblingsort? 

Nein, keinen bestimmten. Ich mag Orte, an denen ich innehalten, in die Weite schauen und den Säntis sehen kann. Dafür kommen viele schöne Plätze in unserem Kanton in Frage. 

 

Welche Orte müssten Ihrer Meinung nach Auswärtige in Ausserrhoden unbedingt gesehen haben? 

Die Schwägalp. Und die Hundwiler Höhe – ein Ort, mit dem ich sehr verbunden bin, von dem aus man ein Rundum-Panorama geniessen kann und den man auf den verschiedensten Wegen erreichen kann – immer aber zu Fuss. 

 

Und der Säntis?

Meiner Meinung nach muss nicht jeder und jede auf den Säntis. Die Eindrücklichkeit des Alpsteinmassivs kann man auch auf der Schwägalp erfahren. 

 

Wenn Sie die Möglichkeit hätten, eine Person Ihrer Wahl (egal ob tot oder lebendig) zu treffen. Wer wäre dies und weshalb? 

Ich bin nicht jemand, der bestimmte Vorbilder hat oder irgendwelchen Idolen nacheifert. Auch schon habe ich auf diese Frage mit Elisabeth Pletscher geantwortet. Kürzlich habe ich den Nachruf von Judith Stamm gelesen, die viele Jahre als CVP-Vertreterin im Nationalrat war. Mich beindruckt, was sie gemeinnützig – nicht nur für die Frauenrechte – getan hat. Sie hat sich stark für den Zusammenhalt in der Gesellschaft eingesetzt, unter anderem auch in der schweizerischen gemeinnützigen Gesellschaft. Bis ins hohe Alter hat sie während einem Grossteil ihrer Zeit freiwilligen Arbeit geleitstet. Das beeindruckt mich. Ich bin überzeugt, dass der Zusammenhalt in der Gemeinschaft unendlich wichtig ist, leider aber geht dieser je länger je mehr verloren. 

 

 

Wofür können Sie sich begeistern?

Für die Natur, für kreative Arbeiten und für die Mitarbeit bei Projekten.

 

Was darf man sich unter Letzterem vorstellen? 

Ich bin nicht diejenige, die selber viele Sachen «anreisst». Wenn jedoch jemand mit einer überzeugenden Idee auf mich zukommt, bin ich gerne bereit, diese mitzutragen und mich zu engagieren. Beispiele sind etwa das Festspiel «Der dreizehnte Ort» oder das Wanderfestival, welches in Hundwil mit verschieden Playern dieses Jahr zum ersten Mal durchgeführt hat. Oder auch mein Engagement für das neue Energiegesetz. 

 

Was verschönert Ihnen Ihren Tag?

Die Möglichkeit, einen Moment draussen zu sein, einen Spaziergang zu machen und dabei vielleicht noch jemanden zu treffen und spontan ins Gespräch zu kommen. 

 

Worauf möchten Sie nicht verzichten? 

Auf die Möglichkeit, direkt zur Haustüre hinaus ins Grüne zu können. 

 

Worauf sind Sie besonders stolz?

Auf meine Familie und den guten Zusammenhalt, den wir haben. Und darauf, dass ich für ein Jahr die höchste Ausserrhoderin sein durfte. Eine Aufgabe, die ich sehr gerne wahrgenommen habe. 

 

Hat dieses Amt Ihr Leben verändert?

(schmunzelt) Nein – das Leben nicht. Es waren viele Repräsentationspflichten, von denen ich auch als Gemeindepräsidentin zahlreiche habe. Aber allein schon der Moment, als ich den Landgemeindesäbel – das Zeichen für die höchste Ausserrhoderin oder den höchsten Ausserrhoder – von meiner Vorgängerin Katrin Alder überreicht bekam, war ein ganz besonderer. Und für ein Jahr unseren Kanton repräsentieren zu dürfen, war für mich eine grosse Ehre. 

 

Eine Ehre mit Pflichten.

Selbstverständlich. Die politische Vorbereitung auf die Kantonsratssitzungen beispielsweise waren wesentlich intensiver als für ein «normales» Kantonsratsmitglied – und auch komplizierter, da wir aufgrund von Corona nicht im Kantonsratssaal tagen konnten. 

 

Was sind Ihrer Meinung nach Ihre Stärken?

Ich bezeichne mich als unkompliziert und pflichtbewusst. Und ich bin so, wie ich bin.  

 

Könne Sie diese Aussage erläutern?

In jedem Amt und in jeder Situation versuche ich, so zu sein, wie ich bin. Das heisst, ich verstelle mich nicht, bin so, wie ich gewachsen bin, mit meinem Wurzeln, die ich habe. Ich bin immer mich selber geblieben. Das ist meiner Meinung nach eine meiner Stärken. Eine weitere ist, dass ich alle Menschen so nehmen kann, wie sie sind, und mit allen zusammenarbeiten kann.

 

Wem möchten Sie weshalb ein Kompliment machen?

Niemandem im Speziellen. Wertschätzung ist mir grundsätzlich wichtig. Einen Dank oder ein Kompliment hat daher jeder und jede verdient, die/der etwas Gutes getan hat oder einem etwas Zuliebe tut. 

 

Wie sind Sie zur Politik gekommen?

Ich bin in einer Familie aufgewachsen, in der viel über Politik gesprochen wurde. Bereits mein Vater war im Gemeinderat und ich habe mich von Jung an für das politische Geschehen interessiert. Als Familienfrau gelangte ich mit einem Anliegen an die Schulkommission. Das war vermutlich der Anfang meiner aktiven politischen Laufbahn. Denn ich wurde daraufhin ziemlich schnell in die Schulkommission gewählt. Die Schulkommission ist eine vom Gemeinderat gewählte Kommission, welche von einem Gemeinderat oder einer Gemeinderätin präsidiert wird. Als die damalige Gemeinderätin demissionierte, lies ich mich als deren Nachfolgerin aufstellen und wurden nachdem ich zwei Jahre in der Schulkommission war in den Gemeinderat gewählt. Dieses Amt war für mich während der Familienpause eine gute Ergänzung und der Weg zu Neuem. 

 

Nach sechs Jahren als Gemeinderätin zuständig für das Ressort Schule liessen Sie sich 2011 als Gemeindepräsidentin aufstellen und wurden gewählt. 

Ich stand damals quasi vor der Wahl, wieder in die Privatwirtschaft einzusteigen oder mich weiter politisch zu engagieren. Das Interesse für die Politik siegte. Daher liess ich mich als Gemeindepräsidentin aufstellen.

 

Haben Sie diesen Schritt jemals bereut?

Nein. Ich habe mich entschieden, diesen Weg zu gehen. Hochs und Tiefs gibt es überall. Das Amt der Gemeindepräsidentin ist eine spannende Aufgabe. Wichtig für mich ist, nicht wegen einer Niederlage die Flinte ins Korn werfen. Das wäre für mich ein Zeichen der Schwäche. Verlieren ist Teil unserer Demokratie. 

 

Was fasziniert Sie am politischen Leben?

Dieses Leben ermöglichte und ermöglicht es mir noch, viele interessante Menschen zu treffen und mit ihnen zu diskutieren. Eine Chance, die ich ohne Politik nie gehabt hätte. Ich schätze die Möglichkeit, mich mit einer Materie vertieft befassen zu können. Die persönliche Auseinandersetzung damit und die Diskussionen mit anderen darüber faszinieren mich.

 

Als Kantonsrätin sind Sie in der Legislative, als Gemeinderätin in der Exekutive – wo ist es Ihnen wohler?

In der Exekutive kann man schneller mehr bewirken, man ist auch näher bei den Menschen. Die Mitarbeit im Kantonsrat ist spannend und für mich eine Ergänzung, da ich mich vertiefter mit den Gesetzen befassen kann, die ich später als Gemeindepräsidentin umzusetzen habe. 

 

Weshalb haben Sie sich entschieden, Mitglied der PU AR zu werden? 

Mir ist es wichtig, politischen Themen mit anderen zu diskutieren, verschiedene Standpunkte zu hören – ohne mit meiner eigenen Meinung hinter dem Berg halten zu müssen; einen Austausch zu haben und trotzdem meine eigene Meinung zu vertreten und frei entscheiden zu können, was für mich stimmt und was nicht – die PU AR ist dafür für mich das passende politische Umfeld. 

 

Haben Sie sich überlegt einer Partei beizutreten?

Nein. In der Regel spielen bei den Gemeinderatswahlen Parteien keine Rolle. Das heisst, viele Gemeinderätinnen und Gemeinderäte werden parteilos gewählt. Für den Kantonsrat haben mich die Hundwilerinnen und Hundwiler als Parteilose gewählt – daher war es für mich folgerichtig, mich der Fraktion der Parteiunabhängigen anzuschliessen. 

 

 

Was wünschen Sie sich für die Zukunft des Kantons?

Ich wünsche mir, dass die kurzen Wege zu Verwaltung und Regierung sowie die Überschaubarkeit erhalten bleiben. Die Möglichkeit auch, pragmatische Lösungen zu finden. Das ist eine grosse Stärke unseres Kantons. Wichtig ist mir auch, dass wir uns stets bemühen, die Nähe zum Volk zu bewahren, dass wir das Volk spüren und nicht an ihm vorbei politisieren. Gewiss, es gibt immer verschiedene Meinungen. Doch es ist wichtig, dass wir volksnah sind und bleiben, vorwärtsgehen und dabei unsere Traditionen achten und bewahren.

 

Wo setzen Sie Ihre politischen Schwerpunkte? 

Die Bildung begleitet mich seit den Anfängen meiner politischen Laufbahn. Dieses Thema ist mir wichtig. Und bringt mich in Kontakt mit jungen Menschen. Diese zu fördern – beruflich wie auch politisch – ist mir wichtig. Denn: Ein Gesetz, welches wir heute beschliessen, ist ein Gesetz für die nächsten Generationen. 

 

Was antworten Sie jungen Menschen auf die Frage, weshalb es sich lohnt, sich politisch zu engagieren?

Politik bietet die Möglichkeit, sich vertieft mit einer Thematik zu befassen. Wer sich politisch engagiert, macht nicht die Faust im Sack, sondern beteiligt sich aktiv an Veränderungen, sieht wie Prozesse laufen, sieht auch, welche Arbeit hinter einem neuen Gesetzt steckt und versteht vielleicht dann, weshalb gewisse Dinge nur langsam vorwärtsgehen. Das ist übrigens etwas, das auch ich lernen musste, was wohl viele lernen müssen, wenn sie in die Politik einsteigen. Die Prozesse sind teils sehr langwierig. Dies zu akzeptieren fällt nicht allen leicht. Doch es lohnt sich. Davon bin ich überzeugt.

 

Worin unterscheidet sich für Sie die PU AR von einer Partei? 

Die PU AR ist ein Gremium, in dem sich viele verschiedene Menschen aus dem ganzen Kanton mit dem unterschiedlichsten Fachwissen und politischen Gesinnungen von links bis rechts treffen. Wir diskutieren offen und kontrovers – schliesslich aber muss oder kann ich mir immer meine eigene Meinung bilden, die ich dann sowohl im Kantonsrat wie auch vor dem Volk vertreten darf – und dies ohne Rücksprache mit einer Parteileitung. Das heisst, ich fühle mich frei, komme aber in den Genuss eines vielseitigen politischen Austausches, der für die Meinungsbildung sehr wichtig ist. 

 

Mit welchen drei Wörtern würden Sie die PU AR beschreiben?

Die Parteiunabhängigen von Appenzell Ausserrhoden setzen sich ein für eine zielorientierte, sachliche Politik, sind vielfältig, volksnah und verkörpern die politische Tradition von Ausserrhoden.