Departement Inneres und Sicherheit
Herrn Landammann
Paul Signer
Schützenstrasse 1
9100 Herisau
Heiden, 27 . Juni 2017
Vernehmlassung über die Ergänzung zum Beschluss über den Beitritt des Kantons Appenze/1
Ausserrhoden zur interkantonalen Vereinbarung vom 26. September 2005 über die
Ostschweizer BVG- und Stiftungsaufsicht vom 26. Juni 2006 (Aufsicht über die klassischen
Stiftungen)
Sehr geehrter Herr Landammann
Als Präsident der Stiftung für appenzellische Volkskunde und Mitglied der Stiftung für
Brauchtum und Kultur in Appenzell Ausserhoden sowie der Steinegg Stiftung Herisau ist es
mir ein Anliegen, Ihnen meine persönliche Meinung zur Absicht des Regierungsrates, die
Stiftungsaufsicht nach St.Gallen zu verlagern, mitzuteilen. Dabei stütze ich mich auf
Erfahrungen, die ich aus der langjährigen kulturellen Freiwilligenarbeit gewonnen habe.
Zur Rolle von "Nehmerstiftungen"
Die Stiftung für appenzellische Volkskunde wurde 1977 auf Initiative von Vertretern der
Industrie, der Kantonsregierung und der damaligen Kantonalbank gegründet
(Stiftungsurkunde in der Anlage). Anlass dazu bot der Ankauf von einmaligem
appenzellischem Kulturgut aus dem Besitz des bekannten Sammlers und Galeristen Bruno
Bischofberger. Damit wurde der Grundstock für das Volkskunde-Museum Stein geschaffen.
Heute verfügt diese Stiftung über die bedeutendste öffentlich zugängliche Sammlung an
Bauernmalereien, die sie Museen permanent oder für Sonderausstellungen zur Verfügung
stellt. Jüngstes Beispiel ist die Ausstellung "Heimat Alpstein" im Rasgartenmuseum Konstanz.
Wie geschätzt solche Ausstellungen mit unserem Kulturgut sind, beweist die Tatsache, dass
an der Vernissage vom 21. Juni im Konzilsgebäude in Konstanz 600 Personen anwesend
waren: beste Werbung für die beiden Appenzeller Kantone - und dies weitgehend dank der
unkomplizierten Zusammenarbeit unserer Museen mit der Volkskundestiftung und dank
grasszügiger Geldbeiträge an diese Ausstellung durch drei Ausserrhoder "Geberstiftungen".
Das ist ein Beispiel von vielen. Es ist völlig klar: "Nehmerstiftungen" wie die Stiftung für
appenzellische Volkskunde sind gar nicht mehr in der Lage, ihren Auftrag zu erfüllen, wenn
sie nicht laufend mit grossen Beträgen der "Geberstiftungen" unseres Kantons (insbesondere
Steinegg Stiftung, Dr. Fred Styger Stiftung, Metrahm Stiftung, Stiftung für Brauchtum und
Kultur) unterstützt würden . Gernäss Stiftungsurkunde besteht der Zweck der
Volkskundestiftung darin, "das in ihrem Eigentum stehende oder ihr anvertraute Sammelgut
auf dem Gebiet der appenzellischen Volkskunde und Volkskunst zu betreuen und durch
weitere Anschaffungen oder Tausch zu ergänzen." Die Stiftung hat einen Leistungsauftrag
vom Kanton und erhält aktuell dafür 18 TCHF pro Jahr. Dieser Beitrag genügt aber bei Weitem
nicht, um die Leistungen zu finanzieren. Der aktuelle Aufwand liegt beim Doppelten des
Beitrags des Kantons , dies, obschon alle Stiftungsratsmitglieder in ihrer Funktion als
1 Stiftungsräte ehrenamtlich arbeiten. Die Hauptausgaben bestehen allein schon aus den
Sachversicherungen.
Wenn die Stiftung für appenzellische Volkskunde spezielle Ausgaben wie zum Beispiel für
Restaurierungen hat, muss sie Finanzierungsgesuche an "Geberstiftungen" stellen . Das
aktuellste Beispiel : Zurzeit drängt sich eine sanfte Konservierung der so genannten Gaiser
Wände, der ältesten bekannten Bohlenmalerei aus unserer Gegend, auf. Dieses Kulturgut von
nationaler Bedeutung ist im Volkskunde-Museum Stein ausgestellt und im Besitz der
Volkskundestiftung . Solche Sicherungsmassnahmen sind immer wieder notwendig. Da der
Kanton uns das notwendige Geld nicht zur Verfügung stellt, fragen wir regelmässig die
"Geberstiftungen" unseres Kantons an- und stossen dabei auf offene Ohren.
Zur Rolle von "Geberstiftungen"
Dass "Nehmerstiftungen", die notabene einen Auftrag zugunsten des Kantons erfüllen, weil
sie dessen kulturelles Erbe sammeln, erforschen und vermitteln, von "Geberstiftungen"
unterstützt werden, ist nicht einfach gegeben. Es braucht ein gegenseitiges
Vertrauensverhältnis. Dieses fusst auf jahrelangem fachlichem Austausch. Die
Ansprechpartner kennen sich gegenseitig und können sich gegenseitig beraten. Seide Seiten
kennen die Verhältnisse, die Möglichkeiten, aber auch die Grenzen unseres Kantons. Bei
Fragen und Unsicherheiten kann man sich direkt und unkompliziert austauschen .
ln allen
Projekten, die ich seit mehr als zwanzig Jahren betreue (Volkskundestiftung, Gründung der
Bibliothek Heiden, Leitung des Museums Heiden usw.), habe ich immer zuerst mit den
Verantwortlichen unserer "Geberstiftungen" im Kanton gesprochen. Ihre Einschätzung
bezüglich Idee, Konzept, Finanzierbarkeit und Nachhaltigkeit eines Projektes war und ist mir
sehr wichtig. Es ist schon oft geschehen, dass ich von Präsidenten und Mitgliedern von
Stiftungen, an die ich einen Unterstützungsantrag gestellt habe, eingeladen wurde, das Projekt
zu präsentieren . Dabei findet jeweils ein reger, zum Teil fachlich durchaus kontroverser
Austausch statt. Das zeigt, wie seriös die Vergabepraxis gehandhabt wird.
Die mir vertrauten"Geberstiftungen" nehmen ihre Aufgabe sehr ernst; sie arbeiten professionell und mit viel
Zeiteinsatz. Für mich ist klar, dass das kulturelle Leben in Ausserrhoden sehr viel weniger
reichhaltig wäre, wenn wir nicht auf die fachliche und finanzielle Unterstützung der
Verantwortlichen unserer "Geberstiftungen" zählen könnten. Die Stiftungen zahlen sehr hohe
Beträge für kulturelle und soziale Dienstleistungen und Projekte und entlasten damit die
öffentliche Hand. Das ist ein hohes Kulturgut, das es zu schützen und zu pflegen gilt!
Zur Rolle der Stiftungsaufsicht
ln Ihrem zur Vernehmlassung zugestellten Bericht wird auf Seite 4 die Haltung des
Regierungsrates dargelegt.
Die Aussage, ein regionaler Verbund würde zu einer
professionellen Stiftungsaussicht beitragen, ist mir in die Augen gestochen. Aus meiner
Erfahrung arbeitet die aktuelle, im Kanton angesiedelte Stiftungsaufsicht professionell- so wie
die Stiftungen selber auch. Aber ich weiss nicht, welche Vorstellungen der Regierungsrat mit
"professionell" verbindet. Etwa, dass man als Person, welche die Aufsicht ausübt, ein
juristisches Studium haben muss, dass man die Gesetzestexte paragraphengetreu kennt und
anwendet usw.? Die Stiftungsaussicht in einem Kanton auszuüben, der über viele nicht nur
grosse, sondern auch kleine Stiftungen verfügt, in denen sich Männer und Frauen in vielen
Fällen ehrenamtlich für die Gesellschaft einsetzen, bedeutet aktive Mitgestaltung und nicht nur
Kontrolle. Die Stiftungsaufsicht muss zum Beispiel in der Lage sein, bei Neuansiedlungen von
Stiftungen pragmatisch und schnell zu beraten. Dies geht bis zur Formulierung eines
Stiftungszweckes oder zur Hilfestellung bei der Beurkundung.
Auch bei Stiftungszweckänderungen oder Auflösungen kann der Stelleninhaber der Stiftungsaufsicht
behilflich sein. Er kann und soll auch Auskünfte über die verschiedenen Profile der ansässigen 2
Stiftungen erteilen und Kontakte vermitteln. Das kann nur jemand sein, der nicht nur die
Theorie, sondern vor allem auch die Praxis sowie die Gegebenheiten vor Ort kennt und der
sich aktiv einbringt und nicht anonym zurücksteht. Ein Stelleninhaber der Stiftungsaufsicht von
Appenzell Ausserrhoden wie der aktuelle entspricht den Bedürfnissen unseres Kantons. Von
mangelnder Professionalität kann in keiner Art und Weise die Rede sein. Es wäre ein
Armutszeugnis für Politik und Behörden, wenn es nicht gelingen würde, eine mit unserem
Kanton und seinen spezifischen Verhältnissen und Bedürfnissen vertraute Person mit dem
dargelegten Profil für diese Aufgabe zu finden. Was in unserem Nachbarkanton Appenzell
Innerrhoden der Fall ist, muss doch wohl auch bei uns möglich sein. Hat man sich überhaupt
die Mühe genommen zu suchen?
Sehr geehrter Herr Landamman, ich bin überzeugt, dass die Verlagerung der Stiftungsaufsicht
in einen anderen Kanton zu einer unerwünschten Verkomplizierung und Bürokratisierung der
Vorgänge führen würde, die in unser aller Interesse nicht stehen kann. Der Kanton Appenzell
Ausserrhoden ist sicher in der Lage, auch weiterhin eine für die Stiftungsaufsicht geeignete
Person zu definieren, die sich mit unserer Kultur identifiziert. Bei einer Auslagerung der
Stiftungsaufsicht besteht die Gefahr, dass nicht dieselbe Identifikation mit dem Kanton besteht
wie bei den Einheimischen. Mit einer Auslagerung würde viel Goodwill aufs Spiel und ein
falsches Zeichen gesetzt - nämlich das der mangelnden Wertschätzung gegenüber
Freiwilligenarbeit und deren Unterstützung.
Mit freundlichen Grüssen
Prof. Dr. Stefan Sonderegger
Präsident der Stiftung für appenzellische Volkskunde
Nordweg 9
9410 Heiden
stefan.sonderegger@ortsbuerger.ch
3