Der Herisauer Roman Wäspi: In der PU wird jeder so angenommen, wie er ist - man muss nicht einer Meinung sein

 

 

 

 

 

Roman Wäspi (Jahrgang 1971) ist verheiratet und Vater einer Tochter (16 Jahre) und eines Sohnes (14 Jahre). Er ist gelernter Hochbauzeichner und hat nach seiner Lehre am Abend-Technikum Architektur studiert. 1998 gründeten er und sein Bruder Marc die Firma Wäspi Werbetechnik mit Sitz in Herisau. Roman Wäspi ist seit 2019 im Einwohnerrat von Herisau und Präsident der Einwohnerratsfraktion von Gewerbe/ PU. 

Roman Wäspi, wie lautet Ihr Lebensmotto? 

«Mit Herzblut dabei». Ob bei der Arbeit oder in der Freizeit: Wenn ich mich für etwas engagiere, muss ich dahinterstehen können. Nur so kann ich mich voll dafür einsetzen – mit Herz und Leidenschaft. Wenn ich das kann, dann bin ich am richtigen Ort. 

 

Und wofür können Sie sich begeistern?

Für vieles und vieles beginnt mit F. Zuerst ist da die Familie, dann der Fussball, die Fasnacht und die Filme – hier haben es mir vor allem die französischen angetan. Das sind sehr unterschiedliche Bereiche und eben diese Vielseitigkeit schätze ich. Zu erwähnen wären selbstredend auch unser Unternehmen und die Politik. 

 

Demnach würden Sie Vielseitigkeit als eine Ihrer Stärken bezeichnen?

Absolut. Bei meiner Arbeit habe ich mit den verschiedensten Menschen und Anliegen zu tun, in meiner Freizeit engagiere ich mich in diversen Gebieten und meine Kolleginnen und Kollegen haben ganz unterschiedliche Hintergründe. Diese Vielseitigkeit bereichert. 

 

Ist es auch ein Zeichen Ihrer Vielseitigkeit, dass Sie als gelernter Hochbauzeichner heute mit Ihrem Bruder ein Unternehmen für Werbetechnik führen?

Vielleicht. Als wir gemeinsam beschlossen unser Unternehmen zu gründen, dachte ich nicht, dass es ein Entscheid für immer sei. Daher war es für mich damals auch keine definitive Abkehr von der Architektur. Das war vor über zwanzig Jahren. 

 

Und Sie sind noch immer in der Werbebranche tätig. Vermissen Sie die Architektur?

Manchmal. Die Werbebranche bietet viel Abwechslung und hält mich up to date. Werbung aber ist auch schnelllebig. Vieles, was wir vor zwanzig Jahren schufen, existiert heute nicht mehr – im Gegensatz zur Architektur. Projekte, die ich als Bauführer betreute, stehe heute noch. Jeder Mensch hinterlässt Spuren – gute und weniger gute. Die Architektur hat das Ziel, Werke zu hinterlassen, die gut sind. Das fasziniert mich und gefällt mir. 

 

Und was gefällt Ihnen an Ausserrhoden?

Land und Leute – das tönt zwar leicht abgedroschen, aber es ist so. Ich mag die Hügellandschaft mit dem Säntis, bei gutem wie schlechtem Wetter. Ich mag das Ländliche und fühle mich wohl hier – mit dem Städtischen tue ich mich eher schwer. Ich schätze es, dass man sich hier kennt und ein Handschlag noch zählt.  

 

Welchen Ort müssten Ihrer Meinung nach Auswärtige in Ausserrhoden unbedingt gesehen haben? 

Ganz klar den Säntis. Er ist ein magischer Berg. Nicht so hoch, aber sehr exponiert. Man sieht ihn von weitherum. Und von seiner Spitze aus sieht man den ganzen Kanton und weit darüber hinaus. 

Haben Sie einen Lieblingsplatz? 

Spontan kommen mir mein Zuhause in Herisau und mein Ferienhaus im Toggenburg in den Sinn. Einen anderen Lieblingsplatz, quasi einen Kraftort, habe ich nicht. Ich freue mich an Neuem, bin gerne unterwegs. Zu Fuss oder mit dem Velo. 

 

Wenn Sie die Möglichkeit hätten, eine Person ihrer Wahl, egal ob tot oder lebendig, zu treffen. Wer wäre dies und weshalb? 

Eine schwierige Wahl. Ich würde mich vermutlich für Winston Churchill entscheiden. Ein Mann mit Biss, offen für Neues. Ein Mann, der seine Handlungen auch immer wieder hinterfragte und trotzdem mit klarer Linie einen Weg verfolgte – hartnäckig, aber nicht ohne auf anderen zuzugehen. Mit ihm würde ich mich gerne austauschen.

Nun zur Politik. Wie sind Sie zur Politik gekommen?

Ich war politisch schon immer interessiert. In unserer Familie wurde oft über politische Themen gesprochen. Seit ich stimmen und wählen darf, nehme ich dieses Recht wahr. Ich war aber nie Mitglied einer Partei. Ich wollte mich nicht in ein Schema pressen lassen – das passt nicht zu mir. Als der Gewerbeverein Herisau bei den letzten Gesamterneuerungswahlen mit einer eigenen Liste antreten wollte und mich anfragte, habe ich zugesagt. Ich bin ein Gwerbler – und daher stimmt dieser Rahmen für mich.

 

Was fasziniert Sie am politischen Leben?

Die Demokratie. Sie ist wichtig und lebt davon, dass die Leute mitmachen. Sie ermöglicht, dass die verschiedensten Meinungen und Anschauungen auf dem Tisch kommen, dass – mit Anstand und Respekt – darüber diskutiert wird. Immer mit dem Ziel, gemeinsam einen Weg zu finden. Das macht für mich das politische Leben faszinierend. 

 

Haben Sie ein politisches Vorbild? 

Nein. Es gibt einige Politiker*innen, die ich bemerkenswert finde. Aber alle haben Gutes und Schlechtes und ein Vorbild sollte ja vor allem gut sein. Interessant finde ich, wie bereits gesagt, Churchill. Aber auch Kennedy oder Francoise Mitterand, der einer ganzen Generation einen Weg gewiesen hat. Adolf Ogi, den ich persönlich kennenlernen durfte, hat bei mir ebenfalls einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Er ist zwar wertekonservativ, aber stets offen für Neues. Sei dies im Bereich Energie oder auch im Sport. Er hat die Fähigkeit, Menschen mit seiner Begeisterung anzustecken. 

 

Sie haben sich bewusst keiner Partei angeschlossen, sind aber seit einiger Zeit Mitglied der PU AR. Weshalb? 

Bei den Parteiunabhängigen bin ich frei. Ich kann ungeniert meine Meinung äussern und sie wird akzeptiert. In der PU wird jeder so angenommen, wie er ist. Man hört einander respektvoll zu, aber man muss nicht einer Meinung sein. Und dieses Miteinander funktioniert, weil es immer um die Sache geht. 

 

Aber Sie hätten als Einwohnerrat auch einfach Gwerbler bleiben können. 

Gewiss. Doch in unserem politischen System wird über Fraktionen und Kommissionen politisiert. Politik funktioniert demnach nur wirkungsvoll, wenn man sich in Gruppen, Parteien und Fraktionen zusammentut. Ob das gut oder schlecht ist, sei dahingestellt. Weitere wichtige Aspekte sind für mich der Zugang zu Informationen und die Möglichkeiten, bei Vernehmlassungen mitzuwirken. Daher finde ich es gut, dass es eine Gruppe gibt, in der ich politisieren kann, wie ich es für gut befinde und die mir den nötigen Austausch sowie einen gewissen Informationsfluss garantiert.

Erlauben Sie mir, nochmals auf das Fraktionssystem zurückzukommen. Wenn ich Sie richtig verstehe, finden Sie dieses System nicht nur gut. 

Das Wort Einwohnerrat beinhaltet das Wort «rat». Das heisst, er müsste ein Gremium sein, in dem beraten wird. Das verlangt, dass man offen ist für alle Voten und sich dann eine Meinung bildet. In unserem System aber wird fast alles im Vorfeld beraten – eben in den Fraktionen. Im Gremium, also im «Rat» selber, wird deshalb weniger bis gar nicht mehr beraten – und oft auch nicht mehr gehört, was die anderen zu sagen haben. Dass dem so ist, bedaure ich. 

 

Worin unterscheidet sich für Sie die PU AR von einer Partei? 

Ich würde die PU AR mit folgenden zwei Worten charakterisieren, was denn für mich auch gleich den Unterschied zu Parteien ausmacht: Ausserrhoder Freigeist. Die PU macht Politik für Ausserrhoden und in der PU herrscht keine Zwängerei. Die freie Meinungsäusserung ist eine uralte (Ausserrhoder) Tradition, die in den Rängen der Parteiunabhängigen hochgehalten wird. 

 

Mit welchen drei Wörtern würden Sie die PU AR beschreiben?

Unabhängig, sachbezogen, für Ausserrhoden. 

 

Wo setzen Sie politisch Schwerpunkte?

Als Einwohnerrat von Herisau liegt mir das Gewerbe am Herzen. Ich will, dass sich das Gewerbe entwickeln kann. Mit einem gesunden Gewerbe haben wir Ausbildungsplätze für unsere Kinder und Arbeitsplätze, für die Menschen, die hier wohnen. Ich finde es erstrebenswert, dass Menschen am gleichen Ort leben und arbeiten können. Wichtig ist das Gleichgewicht zwischen Leben und Arbeit, die Betonung liegt auf dem UND. Mein Ziel ist, dafür gute Rahmenbedingungen zu schaffen.

 

Wie sehen diese Rahmenbedingungen aus? 

Damit das Gewerbe sich gut entwickeln kann, benötigen wir unter anderem genügend Land und Gewerberäume, eine gute Infrastruktur und einen attraktiven Steuerfuss. Aber auch eine gute Schule, damit die Auszubildenden das nötige schulische Rüstzeug mitbringen. Und: Wenn es dem Gewerbe gut geht, kann dieses Vereine etwa mit Sponsoring unterstützen, was wiederum der ganzen Gesellschaft zu Gute kommt. 

 

Gibt es noch andere Schwerpunkte?

Grundsätzlich will ich mich für ein lebenswertes und attraktives Herisau einsetzen. Hier die Balance zu finden zwischen Innovation und nötigem Sparen ist entscheidend. Es gilt daher immer ein waches Auge auf unseren Finanzhauhalt zu haben und wenn nötig auch einmal Nein zu sagen zu weiteren Ausgaben, zu einer noch höheren Verschuldung. 

 

Was würden Sie auf die Frage antworten, weshalb es sich lohnt, sich politisch zu engagieren?

Das Schlimmste ist, wenn die Leute die Faust im Sack machen oder im Nachhinein sagen, das hätte man so und so machen müssen. Wir haben mit der Demokratie ein Instrument, das uns sie Möglichkeit gibt, uns einzubringen. Grundsätzlich denke ich, müssten sich alle politisch engagieren, auch ohne ein politisches Mandat. Denn die Politik bestimmt die Welt in der wir leben, und wir haben die Möglichkeit – und meiner Meinung nach auch die Pflicht – diese mitzugestalten.