Die Urnäscherin Käthi Nef-Alder: "Lieber, als mich in Konzeptarbeit zu verlieren, löse ich Probleme gleich praktisch."

Käthi Nef-Alder (Jahrgang 1965) ist seit über dreissig Jahren mit Jakob Nef verheiratet, Mutter von drei erwachsenen Kindern und einmalige Grossmutter. Ihre Ausbildung absolvierte sie auf der Verwaltung der Gemeinde Urnäsch, wo sie anschliessend einige Jahre als Gemeindekassiererin und Steuerbeamtin arbeitete. Nach einer Kinderpause, in der sie einzig für ihr Familienunternehmen arbeitete, folgten diverse Anstellungen in kleineren Pensen, etwa in einem St. Galler Altersheim oder bei der Dörig Käsehandels AG. Von 2001 bis 2015 war Käthi Nef Gemeinderätin in Urnäsch, verantwortlich unter anderem für das Altersheim. Von 2008 bis 2019 vertrat sie ihre Gemeinde im Kantonsrat. Heute ist sie mit einem 70%-Pensum Heimleiterin des Wohn- und Pflegezentrums Au in Urnäsch. Stets Teil ihres Arbeitslebens ist das eigene Geschäft, die Zimmerei und Schreinerei Jakob Nef AG, wo sie für Finanzen und Personal zuständig ist.

Käthi Nef, Sie leben bereits Ihr Leben lang in Urnäsch. Hatten Sie nie das Bedürfnis nach einer Luftveränderung? 

(Schmunzelt) Nicht mein ganzes Leben. Meine ersten zwei Lebensjahre verbrachte ich in Speicher. Zurück zur Frage. Eine Luftveränderung? Nein. Ich fühlte mich hier immer wohl. Und nachdem mein Mann mit 28 Jahren den elterlichen Betrieb übernommen hatte, stellte sich für mich die Frage, von Urnäsch wegzugehen, nicht mehr. Wieso auch? Ich fühle mich hier gut aufgehoben und geborgen.

 

Was gefällt Ihnen an Urnäsch?

Die Menschen, das Dorf, die Lage. Mich stört es nicht, dass wir im Kanton nicht nur als Hinterländer, sondern manchmal gar als Hinterwäldler angesehen werden. Ich bin der Ansicht, dass Urnäsch sehr fortschrittlich ist. Nur wird dies von aussen nicht wahrgenommen. Wir haben zum Beispiel eine sehr gute Infrastruktur oder einen vorbildlichen Wärmeverbund. Und mit der Urnäscher Käserei einen florierenden Betrieb, der die Innovation unserer Landwirte veranschaulicht. Als politische Gemeinde haben wir zudem das REKA-Dorf gecoacht und unterstützt. Ich finde, Urnäsch hat sich in der Vergangenheit immer wieder innovativ und fortschrittlich gezeigt.  

 

Was gefällt Ihnen an unserem Kanton ausser Urnäsch?

Alles! Wir haben auf kleinstem Raum eine unglaubliche landschaftliche Vielfältigkeit: Vom Hinterland mit Alpstein und Säntis bis zum Vorderland mit seinen sanften Hügeln und der Aussicht auf den Bodensee.  

 

Welches ist Ihr Lieblingsplatz/Lieblingsort?

Das «Schüssebänkli» gleich oberhalb unserer Wohnung. Ein Aussichtpunkt mit einigen Bänklein, umgeben von Kastanien – ein ruhiger Ort, an dem ich den Blick auf Urnäsch und über das Dorf hinaus geniessen kann. 

 

Welche Orte müssten Ihrer Meinung nach Auswärtige in Ausserrhoden unbedingt gesehen haben? 

Urnäsch natürlich. Hier würde ich sie mitnehmen auf die Hochalp, wo sie die Aussicht auf den Alpstein geniessen können, danach ginge es ins Vorderland, für einen unvergesslichen Blick ins Rheintal und auf den Bodensee.  

 

Wenn Sie die Möglichkeit hätten, eine Person Ihrer Wahl zu treffen. Wer wäre dies und weshalb? 

Angela Merkel. Ich finde sie eine beeindruckende Persönlichkeit. Sie war die erste Frau und die erste Ostdeutsche als Bundeskanzlerin – und sie musste so viel Kritik einstecken. Mich würde interessieren, wie sie mit der von allen Seiten geäusserten massiven Kritik umgehen konnte; wie sie es stets schaffte, ihre stoische Ruhe beizubehalten. 

 

Wofür können Sie sich begeistern?

Fürs Motoradfahren! Eine Freude, die mein Mann und ich teilen. Leider kam ich in den letzten drei Jahren nicht so oft dazu. 

 

Ein Hobby, das Sie schon lange pflegen?

Nein, ich war kurz vor 40, als ich damit begann. Ich hatte damals den Wunsch, etwas Neues zu beginnen. Da entschied ich mich fürs Motoradfahren – etwas, das mich bis dahin nicht interessierte und das mich heute sehr begeistert!  

 

Haben Sie noch weitere Hobbys?

Die Musik. Ich war vermutlich in der fünften Klasse. Eine Schulkameradin wollte damals gerne ein Blasinstrument lernen, aber nicht alleine. So habe ich sie begleitet. Nach einem halben Jahr auf dem Es-Horn habe ich mich dann für die Trompete entschieden. Nun spiele ich schon seit 43 Jahren im Musikverein Urnäsch. Während 20 Jahren war ich auch aktives Mitglied der Musikgesellschaft Oberegg. Und seit gut zwei Jahren lerne ich in einer Bläserklasse Klarinette – was ich sehr schön finde.

 

Was verschönert Ihnen sonst noch den Tag? 

Wenn ich zur Arbeit gehe und mich die Bewohnerinnen und Bewohner im Wohn- und Pflegezentrum Au strahlend begrüssen.

 

Was ist Ihr Lebensmotto?

E Guets git wieder e Guets.

 

Worauf möchten Sie nicht verzichten?

Auf meine Meinungsfreiheit.  

 

Worauf sind Sie besonders stolz?

Auf meine Familie. 

 

Was sind Ihrer Meinung nach Ihre Stärken?

Während der Corona-Zeit habe ich festgestellt, dass meine Stärken eher im Krisenmanagement liegen, als im Bewältigen des Alltagstrotts. Lieber, als mich in Konzeptarbeit zu verlieren, löse ich Probleme gleich praktisch. 

 

 

 

 

 

Wem möchten Sie weshalb ein Kompliment machen?

Meinem Mann! Er ist immer für mich da, ihm kann ich alles sagen und ich kann auf seine Verschwiegenheit zählen. 

 

Sie haben eine Familie, ein eigenes Geschäft, Hobbys – und dennoch haben Sie sich mit 35 Jahren entschieden, als Gemeinderätin zu kandidieren. Weshalb?

Ich habe meine Ausbildung auf der Gemeinde gemacht, danach noch einige Jahre dort gearbeitet – so gelangt man vermutlich auf den Radar jener, die geeignete Kandidatinnen und Kandidaten suchen. Ich wurde immer wieder mal angefragt und 2001 gingen mir dann die Ausreden aus 😉. 

 

Sie wurden also quasi in ein politisches Amt gezwungen? 

Nein – es war mein Wille und ich habe es nie bereut. Als ich noch auf der Verwaltung arbeitete, habe ich mich hin und wieder über gewisse Entscheide des Gemeinderates gewundert und mich gefragt, weshalb dies so und nicht anders beschlossen wurde. Als Gemeinderätin habe ich die andere Seite kennengelernt. 

 

Der Urnäscher Gemeinderat im Juni 2011. 

2008 liessen Sie sich auch als Kantonsrätin aufstellen. 

Ich bin ein neugieriger Mensch – und ich machte mir damals keine Gedanken darüber, ob ich das kann oder nicht. Es gab Menschen, die trauten mir dies zu, also traute ich es mir auch zu.  

 

Sie wurden gewählt – hat sich ihre Neugierde gelohnt?

Bestimmt – auch wenn ich zugeben muss, dass ich schon ziemlich blauäugig war. Was im Kantonsrat gemacht wird, unterscheidet sich erheblich von der Arbeit im Gemeinderat. Die Materie ist «knochentrocken». Vor meiner ersten Kantonsratssitzung bekam ich seinen riesigen Stapel Papiere zum Thema schulrechtliche Erlasse – ein Gräuel! 

 

Trotzdem waren Sie elf Jahre Kantonsrätin.

Ja, meine beiden Ämter haben sich gegenseitig befruchtet. Viele Themen, die im Kantonsrat behandelt werden, beschäftigten auch in der kommunalen Exekutive. Ich bin der Meinung, es schafft Synergien, wenn ein Gemeinderat, eine Gemeinderätin auch im Kantonsrat ist. Der Kanton besteht ja aus den Gemeinden. Die kommunalen Exekutivvertreter kennen die Probleme der Gemeinde und sollten sich daher auch in der kantonalen Legislative einbringen – und dies nicht nur mittels Vernehmlassungen.  

 

Würden Sie Ihren Kindern empfehlen, in die Politik zu gehen?

Ja. Man kann nicht nur reklamieren, wenn einem etwas nicht passt. Man soll sich an den Schaltstellen dafür einsetzen, was einem wichtig ist. Und auf kommunaler Ebene kann man auch wirklich etwas bewegen. Auf der kantonalen Ebene geht es – zumindest in der Legislative – zugegebenermassen eher langsam.

 

Sie wurden als Parteilose in Gemeinde- und Kantonsrat gewählt. Weshalb sind Sie Mitglied der PU AR? 

Zwei Dinge vorweg. Erstens ist es in den meisten Gemeinden in unserem Kanton üblich, dass man nicht in einer Partei sein muss, um in ein Amt gewählt zu werden. Zweitens: Die PU AR ist eine relativ junge Gruppierung, die es zu meinen Anfangszeiten im Kantonsrat noch nicht gab. Damals mussten wir Parteilosen feststellen, dass wir uns zusammenschliessen, uns organisieren müssen, um gehört zu werden. Im Kantonsrat hiess es in den Debatten: «Zuerst die Voten der Fraktionen, dann jene der Gruppierungen.» Wir galten als Gruppierung und kamen demzufolge immer als letzte an die Reihe. Für mich unverständlich! Weshalb waren wir weniger wert als eine Partei? Später kam dann das Thema Fraktionsentschädigung dazu. Für uns hiess dies: Wenn auch wir für unsere Arbeit in der Fraktion Geld erhalten wollten, mussten wir uns organisieren und als Fraktion funktionieren.

Und dann wurde die PU AR gegründet? 

Es waren viele Diskussionen nötig, und nicht alle konnten sich mit dem Gedanken anfreunden. Für mich war klar, dass wir uns organisieren und dennoch ohne verpflichtendes Parteiprogramm querbeet denken können. Eine Struktur hält ja niemanden davon ab, so zu politisieren, wie er oder sie es für gut befindet. Es war richtig, dass wir uns in der PU AR zusammengeschlossen haben. Jetzt werden wir wahr- und ernstgenommen. Wir politisieren aktiv und machen an jeder Vernehmlassung mit. 

 

Sie hätten auch einer Partei beitreten können. 

Hypothetisch ja. Praktisch nein. Ich würde mich zwar nicht als Rebellin bezeichnen, aber ich habe sicher eine rebellische Ader – und es ist mir wichtig, mir meine eigene Meinung zu bilden und diese auch – ohne Rücksicht auf ein Parteiprogramm – vertreten zu können.  In der PU AR muss ich mir nie Gedanken machen, ob ich die Parteimeinung vertreten will oder ob ich es mir überhaupt erlauben dürfte, gegen eine Parteiparole zu stimmen. In der PU AR darf ich, was ich will. 

 

Mit welchen drei Wörtern würden Sie die PU AR beschreiben?

Jeder und jede darf und muss selbständig denken und handeln. Die PU AR ist vielfältig und farbig – und dass es nun mehr als drei Wörter sind, zeugt von der geforderten Selbständigkeit.

 

Sie sind – obwohl nicht mehr in einem politischen Amt – noch immer Mitglied der PU AR. Weshalb? 

Unser Verein lebt auch von Mitgliedern, die nicht oder nicht mehr in einem politischen Amt sind. Denn politische einbringen können sich alle, die sich für unseren Kanton interessieren. Für mich ist klar: Ich will weiterhin unterstützen und informiert sein.

 

Noch eine letzte Frage: Was wünschen Sie sich für die Zukunft des Kantons?

Mehr Selbstbewusstsein! Wir sollten uns unserer Stärken bewusst sein und uns nicht «vorauseilend gehorsam» verhalten, wie wir dies manchmal tun. Mit der Landgemeinde, der Kantonalbank haben wir scheinbar viel von unserem Selbstbewusstsein verloren. Ich finde, wir sollten aufhören, diesen Verlusten untätig nachzutrauern - entweder abhaken oder dann aktiv werden und es ändern.