Karin Steffen, Reute, setzt sich für die Umwelt, erneuerbare Energien und den Schutz von Minderheiten ein

Karin Steffen (Jahrgang1970) ist verheiratet und Mutter von zwei Kindern (19 und 20 Jahre). Einer Ausbildung im kaufmännischen Bereich folgte jene zur Marketingplanerin. Heute arbeitet sie als Redaktorin beim Magnet, der Kirchenzeitung der evangelisch-reformierten Landeskirche beider Appenzell, zudem ist sie bei der Landeskirche angestellt für die Unterstützung bei der Erarbeitung der Reglemente, die aufgrund der neuen Kirchenverfassung nötig sind. Ebenso betreut sie in einem weiteren Teilpensum das Sekretariat der Kirchgemeinde Reute-Oberegg. Freiwillig engagiert sie sich bei den Landfrauen, im Musikverein und für das Informationsblatt der Gemeinde Reute. 

Karin Steffen ist seit 2017 Gemeinderätin und seit 2022 Vize-Gemeindepräsidentin in Reute, verantwortlich für das Ressort Bildung, und seit 2019 Kantonsrätin. In dieser Funktion ist sie Mitglied der Kommission Bau und Volkswirtschaft. 

 

Karin Steffen, Sie hatten Ihren Wohnsitz noch nie ausserhalb unseres Kantons. Was gefällt Ihnen an Ausserrhoden?

Die Vielfalt der Landschaft, die Menschen und das Neckende.

 

Das Neckende?

Ja. Zum Beispiel die Sticheleien unter den Bezirken oder auch zwischen Innerrhoden und Ausserrhoden. Man kann es nicht lassen, sich gegenseitig immer wieder mal zu necken, stets aber mit viel Sympathie und Verständnis füreinander.

 

Sie leben in Reute, einer Gemeinde, die in vielen Bereichen mit dem innerrhodischen Oberegg zusammenarbeitet. Auf welchem Hoheitsgebiet liegt Ihr Lieblingsplatz?

Ich habe keinen speziellen Lieblingsort. Gerne liege ich, wenn ich denn Zeit habe, im Liegenstuhl unter unserem Kirschbaum. Ich schätze aber auch die Weitsicht und die ist auf jedem unserer vielen Hügel zu geniessen.

 

Welche Orte müssten Ihrer Meinung nach Auswärtige in Ausserrhoden unbedingt gesehen haben?

Zuerst würde ich sie auf den Kirchturm von Heiden mitnehmen. Die Weitsicht über den Bodensee bis nach Ulm und der Blick über die lieblichen Hügel des Appenzeller Vorderlandes sind schlicht umwerfend. Anschliessend würde ich mit ihnen das Henry-Dunant-Museum besuchen. Humanität und Solidarität sind mir wichtig und sollten meiner Meinung nach allen wichtig sein. Der Besuch dieses Museums regt zum Nachdenken an und im besten Fall auch zum Handeln.

 

 Wie lautet Ihr Lebensmotto? 

«Liebe, was du tust». Ich finde es wichtig, dass mir das, was ich tue, Freude macht. 

 

Wenn Sie die Möglichkeit hätten, eine Person ihrer Wahl (egal ob tot oder lebendig) zu treffen. Wer wäre dies und weshalb? 

Ich weiss es nicht. Es gibt einige Menschen, die mich beeindrucken. Beethoven ist einer davon. Er war ein genialer Musiker. Bereits im Alter von 27 Jahren wurde er schwerhörig, mit 48 war er komplett taub. Trotzdem komponierte er weiter. Er hatte das absolute Gehör, konnte sich also die Töne und ihren Zusammenklang im Kopf vorstellen. Unglaublich! Ebenfalls faszinieren mich die modernen Philosophen, wie etwa Richard David Precht. 

 

Wofür können Sie sich begeistern?

Für Bewegung und Musik. Ich unternehme gerne mehrtägige Wanderungen oder Velotouren. Mit Sack und Pack unterwegs sein, einfach mal losgehen oder -radeln, ohne das Ziel genau zu kennen; offen sein für Neues, spontan entscheiden, bleiben, wo es einem gefällt. Schon von klein auf begleitet mich die Musik. Fast vierzig Jahre lang habe ich Euphonium gespielt, jetzt ist es die Posaune. Ich spiele in der Musikgesellschaft Brass Band Rehetobel. Es begeistert mich, gemeinsam ein Musikstück zu erarbeiten und mit meinem Instrument Teil eines grossen Ganzen zu sein, das Musizierende, wie Zuhörende emotional berührt. 

 

Was verschönert Ihnen Ihren Tag?

Ein Kaffee am Morgen und einige freundliche Worte. 

 

Worauf möchten Sie nicht verzichten? 

Auf die abendliche Lektüre im Bett. 

 

Lesen Sie nicht schon bei Ihrer Arbeit und politischen Tätigkeit genug?

(Lacht) Gewiss, gerade in der Politik heisst es unzählige Dossiers zu studieren. Abends bevorzuge ich leichte Literatur, die entspannt und mich gut schlafen lässt. 

 

Worauf sind Sie besonders stolz?

Ich durfte im Rahmen des 333-Jahr-Jubiläums unserer Gemeinde eine Heckenpflanzaktion durchführen. Das Interesse der Bevölkerung war überwältigen und so wurden letzten Herbst in privaten Gärten von Reute über 300 Pflanzen eingesetzt. Freude habe ich auch an unserem neuen Energiegesetz. Als Mitglied der kantonsrätlichen Kommission Bau und Volkswirtschaft durfte ich meinen Teil zu diesem zukunftsweisenden Gesetz beitragen. 

 

Was sind Ihrer Meinung nach Ihre Stärken?

Ideen realisieren, Ziele setzen und diese auch erreichen. 

 

 Die Umsetzung Ihrer Ideen oder diejenigen anderer? 

Sowohl als auch. Ich bin eine Teamplayerin, arbeite gerne in Gremien. So etwa als OK-Präsidentin für unser Jubiläumsfest 333 Jahre Reute. Die Ideen dafür haben wir gemeinsam erarbeitet. Coronabedingt musste das Fest verschoben werden. Es war nicht immer einfach, den Elan im OK über eine so lange Zeit aufrechtzuerhalten – aber miteinander haben wir unser Ziel verfolgt: Ende August wird gefeiert und wir freuen uns auf ein Fest für die ganze Bevölkerung. 

 

Wem möchten Sie weshalb ein Kompliment machen?

Martina Tapernoux-Tanner. Sie ist Pfarrerin in Heiden und wurde letztes Jahr zur Kirchenratspräsidentin gewählt. Eine beeindruckende Frau! Vor allem imponiert mir ihr Geschick, mit ihrer klaren und einfachen Sprache die Menschen zu erreichen. 

 

Wie sind Sie zur Politik gekommen?

Ich war früher freischaffend im Lokaljournalismus tätig. In dieser Funktion besuchte ich verschiedene politische Veranstaltungen. Dies hat in mir den Wunsch geweckt, mich mehr für unsere Gemeinde zu engagieren. Deshalb habe ich ja gesagt, als ich angefragt wurde, ob ich als Gemeinderätin kandidieren wolle. 

 

Und Sie wurden gewählt. Mit welchen Gefühlen haben Sie als Politneuling Ihr Amt angetreten? 

Ich ging sehr unbeschwert an meine neue Aufgabe. Interessiert und offen. Entscheidend mitgeholfen hat sicher, dass die anderen Gemeinderät*innen mich gut aufgenommen haben. 

 

Zwei Jahre nach Ihrer Wahl in den Gemeinderat haben Sie sich entschlossen auch für den Kantonsrat zu kandidieren. Weshalb? 

Unser Gemeindepräsident Ernst Pletscher trat damals als Kantonsrat zurück. Da ich bereits vorher an einigen Vernehmlassungen aktiv mitgearbeitet hatte, dachte ich, ein Amt in der Legislative sei eine gute Ergänzung zu meiner Aufgabe als Gemeinderätin. 

 

Hat sich dies bestätigt?

Seien wir ehrlich. Ich konnte mir nicht genau vorstellen, was auf mich zu kommt. Jetzt weiss ich, es ist sehr viel! Kantonsrät*innen müssen sich in die unterschiedlichsten Themen einlesen, sich viel Wissen aneignen, um die für sie und den Kanton richtigen Entscheide zu treffen. Um auf die Frage zurückzukommen. Ja, die beiden Ämter befruchten sich gegenseitig. Nehmen wir das Beispiel des neuen Volkschulgesetzes. Verantwortlich für das Ressort Bildung in unserer Gemeinde sind dies für mich nicht einfach Artikel, die wir im Kantonsrat beraten. Ich weiss, dass für die Menschen, die nach diesem Gesetz arbeiten, jedes Wort seine Wichtigkeit hat. 

 

Im Kantonsrat gehören Sie aber nicht der Kommission Bildung und Kultur an, sondern der Kommission Bau und Volkswirtschaft.

Ja, ich habe mich ganz bewusst für die Arbeit in dieser Kommission entschieden, weil ich wusste, dass das Energiegesetz kommt. Umwelt ist mein Thema. 

 

Was gefällt Ihnen am politischen Leben?

Im Gemeinderat schätze ich, dass ich aktiv gestalten und konkret etwas bewirken kann. Im Kantonsrat ist es die Arbeit in der Kommission. Das Diskutieren, das Feilschen um konsensfähige Lösungen, die dann dem Kantonsrat vorgelegt werden können. 

 

 

Was wünschen Sie sich für die Zukunft des Kantons?

Eine stärkere Identifikation der Menschen mit dem Kanton und damit auch mit uns Politiker*innen. Leider fehlt vielen das Interesse an dem, was wir machen. Politik aber ist wichtig für das Sein in unserem Kanton. Wünschen würde ich mir auch mehr Innovation und Offenheit im Gebiet der erneuerbaren Energien. Sowohl von Unternehmen, die in diesem Bereich tätig sind, wie auch von der Bevölkerung. Es gibt ja schon rote Köpfe, wenn man nur das Wort Windräder in den Mund nimmt. Es reicht jedoch nicht, wenn wir uns nur auf den Ausbau der Photovoltaikanlagen beschränken. Ich bin klar der Meinung, dass man in Bezug auf die erneuerbaren Energien alle Wege denken muss. Ganz nach dem Motto: Man muss das Unmöglich denken, um das Mögliche realisieren zu können. Wichtig ist, offen zu sein für das Machbare. In diesem Sinne wünsche ich mir derzeit ganz konkret, dass unser Energiegesetz dem Referendum standhält – zugunsten von Mensch und Umwelt. 

 

Es ist spürbar, die Umwelt und erneuerbare Energien liegen Ihnen am Herzen. Setzen Sie noch andere politische Schwerpunkte? 

Wichtig ist mir der Schutz der Minderheiten. Grundsätzlich setze ich mich, unabhängig vom Bereich, immer für die Schwächeren ein. Sei dies nun für ein ausgereiftes Behindertenfinanzierungsgesetz oder einen gerechten Finanzausgleich unter den Ausserrhoder Gemeinden. Wenn die Solidarität verloren geht, gibt es Unfrieden. Den gilt es zu verhindern.

 

Haben Sie ein politisches Vorbild? 

Nein. Ich möchte rechtschaffen und ehrlich meine politischen Ämter erfüllen. Mir selber treu bleiben, niemanden übervorteilen, Minderheiten schützen und Solidarität leben. Wenn Sie aber unbedingt eine Antwort auf Ihre Frage wünschen, dann würde ich Bundesrat Alain Berset nennen. Er musste während der Coronazeit viel Kritik über sich ergehen lassen, musste stets Red und Antwort stehen und hat dies meiner Meinung nach souverän gemeistert. Leider ist ja Kritik immer viel lauter als Lob und Dank. 

 

Was würden Sie auf die Frage antworten, weshalb es sich lohnt, sich politisch zu engagieren?

Unsere Demokratie ist ein wichtiges Gut. Wir haben grosses Glück, dass wir in einem solchen politischen System leben dürfen. Dem gilt es Sorge zu tragen. Mitzugestalten, sich in einem Gremium einzubringen, finde ich wichtig und spannend. 

 

Ist Politik in der Schweiz nicht extrem langsam, extrem mühsam? 

Gewiss, es braucht Durchhaltewille. Ich stelle aber auch fest, dass ich in der relativ kurzen Zeit, in der ich nun politisch aktiv bin, schon einiges mitgestalten konnte. Vor allem mit meiner Arbeit in der Kommission. Befruchtend ist auch, dass man viele neue Leute kennenlernt und seinen Horizont gerade in Gebieten, die einem nicht so vertraut sind, erweitern kann. 

 

Weshalb haben Sie sich entschieden, Mitglied der PU AR zu werden? 

Ich bin Mitglied der Lesegesellschaft Schachen in Reute. Von ihr wurde ich portiert. Die parteiunabhängige Politikvertretung hat ihre Wurzeln in den Lesegesellschaften. Daher war für mich die Mitgliedschaft bei der PU AR der logische Schritt. Gewiss, von meiner Gesinnung her bin ich eher links-grün. Aber ich will mich nicht in ein Parteischema pressen lassen. 

 

Worin unterscheidet sich für Sie die PU AR von einer Partei? 

In der PU AR sind (fast) alle willkommen, unabhängig von seiner oder ihrer Gesinnung, Themen werden sachbezogen diskutiert, jede Meinung wird akzeptiert und auch wertgeschätzt. Meiner Meinung nach braucht es eine sachbezogene Diskussion mit verschiedenen Meinungen, um sich schliesslich finden zu können – und dies ist entscheidend, wenn man vorwärtskommen will. 

 

Mit welchen drei Wörtern würden Sie die PU AR beschreiben?

Sachbezogen, offen, wertschätzend.