Vernehmlassungsantwort der PU AR zum Gegenvorschlag des Regierungsrates zur Volksinitiative «Starke Ausserrhoder Gemeinden»

Für die PU AR ist weitestgehend unbestritten, dass in der Frage der zukünftigen Ausgestaltung der Gemeinden Handlungsbedarf besteht. Deshalb wird wohlwollend zur Kenntnis genommen, dass sich der Regierungsrat Gedanken über die zukünftigen Gemeindestrukturen gemacht hat. Leise Zweifel bestehen, ob die Vorschläge tatsächlich einem tiefen Wunsch zur Veränderung und Verbesserung entsprechen. Oder ist es vielleicht auch taktisches Kalkül, um die Thematik mit der Begründung allfälligen Widerstands kommenden (Regierungsrats-) Generationen zu überlassen? Die klare Positionierung der Regierung ist auf jeden Fall mutig und aus Sicht der Parteiunabhängigen ein Zeichen dafür, dass der Regierungsrat wirklich vorwärts gehen möchte. 

 

Eine 13-köpfige Arbeitsgruppe der PU hat sich vertieft mit dem Thema auseinandergesetzt. Eine erste Analyse hat dabei ergeben, dass subjektiv gesehen eine Mehrheit der Gemeinden in Appenzell Ausserrhoden gut funktioniert. Auch die Bereitschaft zu Kooperationen und Zusammenarbeit in regionalen und kantonalen Gremien wird positiv gesehen. Aber nur schon der Blick auf den Finanzausgleich als strukturerhaltendes Instrument ist für die Mehrheit der PU AR Anlass für Veränderungen. Tatsache ist, dass zahlreiche Gemeinden ohne finanzielle Unterstützungen ihre Aufgaben gar nicht mehr erfüllen könnten.

 

Finanzielle Auswirkungen

Für die Parteiunabhängigen ist klar, dass eine Erleichterung von Fusionen auch mit finanziellen Mitteln vonseiten des Kantons erfolgen muss. Je nach Zusammenarbeits- bzw. Fusionsmodellen wird es einen klaren Anpassungsbedarf geben. Auch für die fusionsskeptische gewichtige Minderheit der PU AR sind Fusionen zu vereinfachen, ein Fusionszwang aber klar abzulehnen. Deshalb muss in dieser staatspolitisch bedeutsamen Diskussion unbedingt vermieden werden, dass die Katze im Sack verkauft wird. Es wird daher gewünscht, dass der Regierungsrat in der 1. Lesung im Kantonsrat die ungefähren finanziellen Auswirkungen und die nötigen Veränderungen des Steuerfusses von Gemeinden und Kanton inkl. gewichtetem Anpassungsbedarf deutlich aufzeigt.

 

Rechtliche Erwägungen und Sicherstellung der Mitbestimmung der kleinen Gemeinden

Wie auch immer mögliche Fusionen gestaltet werden sollen, aus Sicht der PU werden zahlreiche langwierige Prozesse nötig sein, um die Anzahl Gemeinden zu reduzieren. Daher ist es für die PU AR zwingend, das der Regierungsrat bereits in der 1. Lesung im Kantonsrat den möglichen Gesetzesprozess inkl. Zeitplan für die diskutierten Varianten aufzeigt. Eine gewichtige Minderheit der PU erachtet einen Fusionszwang als schwerwiegenden Eingriff in die Gemeindeautonomie. Um die Hürde zu erhöhen und die Gefahr einer Überstimmung der kleinen durch die grösseren Gemeinden zu verringern, wird ein Gemeindemehr gefordert. Die Mehrheit der PU kann diese Argumentation nachvollziehen, ist sich aber nicht sicher, ob diese zusätzliche Hürde rechtlich möglich und gesellschaftspolitisch sinnvoll ist. Trotzdem wird dem Regierungsrat empfohlen, Möglichkeiten zu prüfen, wie eine angemessene Mitbestimmung der kleinen Gemeinden gewährleistet wird. 

 

Wahlsystem als Knackpunkt

Unabhängig von Gemeindefusionen wird das Wahlsystem auch anlässlich der Totalrevision der Verfassung zum Thema. Die PU sind der Meinung, dass die Wahlkreise identisch mit den politischen Gemeinden sein sollen. Deshalb wird bei Fusionen grossmehrheitlich eine Sitzgarantie für die bisherigen Gemeinden bei Kantonsratswahlen abgelehnt. Die PU AR bedauern, dass die Verfassungskommission nicht alle möglichen Wahlsysteme ausführlich geprüft hat und dass sie, wie der Regierungsrat, lediglich den sogenannten einfachen Proporz erwähnt. Hier gibt es aus Sicht der PU AR bessere Alternativen. Die Parteiunabhängigen sind ausdrücklich der Meinung, dass auch Alternativen zum Proporz, insbesondere die Präferenzwahl, ernsthaft geprüft werden müssen. Das Präferenzwahlsystem ist eine echte Alternative, um die spezielle Appenzeller Wahltradition in die Zukunft zu führen. Es besticht durch die Einfachheit für die Wählenden und ist mit der Erfolgswertgleichheit für alle fair. Die PU AR fordern den Regierungsrat daher auf, auch das Präferenzwahlsystem ausführlich zu prüfen und so ein einheitliches Wahlsystem für kantonale und kommunale Wahlen innerhalb eines Wahlkreises zu ermöglichen. Dies ist gerade auch im Hinblick auf die mögliche Schaffung von Gemeindeparlamenten von Bedeutung.

 

Welche Variante wird bevorzugt?

Die Arbeitsgruppe hat neben den drei von der Regierung vorgeschlagenen Varianten (4 statt 20 Gemeinden, 4 bis 16 Gemeinden, Streichung der Gemeindenamen aus der Verfassung) noch zwei weitere Varianten (3 statt 20 Gemeinden, 1 bis 16 Gemeinden) diskutiert. Eine Umfrage bei allen PU-Mitgliedern hat ergeben, dass sich gut 40% für die Variante mit 4 Gemeinden und rund 30% für die Variante mit 4 bis 16 Gemeinden aussprechen. Die Restlichen stimmen entweder für 3 Gemeinden (8%) oder für 1 bis 16 Gemeinden (6%). 16% schliesslich würden sich im Moment auf die Streichung der Gemeindenamen in der Verfassung (KV Art. 2) beschränken. Dieses PU-interne Abstimmungsergebnis zeigt deutlich, dass eine isolierte Fragestellung zum favorisierten Regierungsvorschlag – ja oder nein zu 4 Gemeinden – nicht funktionieren dürfte. Die angesprochenen Themenfelder und die möglichen Konsequenzen sind eben auch sehr emotional besetzt. Auch sind die konkreten Auswirkungen auf die eigene Gemeinde gross und unterschiedlichen Partikularinteressen prallen aufeinander. Dessen muss sich der Regierungsrat für die Diskussion vor der Abstimmung bewusst sein. Die Dorfgemeinschaft, der Dorfcharakter und die Identität sind wichtige Faktoren für ein persönliches Engagement. Auf dieses Engagement sind wir auch in Zukunft dringend angewiesen. Es geht nicht darum, jemandem etwas wegzunehmen, sondern dem ganzen Kanton und allen Einwohnern und Einwohnerinnen einen Mehrwert zu bieten. Die Dörfer sollen die Identität mit Unterstützung einer grösseren Verwaltungseinheit bewahren. Wie wird der Regierungsrat dies der Bevölkerung vermitteln?